Teheran . Der Iran zeigt sich trotz selbstbewusster Worte verhandlungsbereit. Diplomatische Kontaktmöglichkeiten bleiben offen, während internationale Kontrollen vorerst bestehen bleiben.
Wenn Ali Khamenei in diesen Tagen über die außenpolitischen Gegner des Iran spricht, klingt der Ajatollah nicht wie der Chef eines Regimes, das vor wenigen Monaten eine demütigende Niederlage einstecken musste. US-Präsident Donald Trump könne ruhig weiter von der Zerstörung des iranischen Atomprogramms träumen, sagte Khamenei jetzt. „Was geht es die USA an, ob der Iran nukleare Kapazitäten hat oder nicht?“ fragte der 86-jährige Revolutionsführer. Die selbstbewussten Töne sind Fassade. Khamenei hofft auf eine baldige Einigung mit Trump, auch weil das theokratische System zu Hause immer weiter an Glaubwürdigkeit verliert.
Der Iran fühlt sich nicht mehr an internationale Vorgaben für sein Atomprogramm gebunden, seit der Atomvertrag von 2015 am vorigen Wochenende nach gescheiterten Gesprächen über eine Verlängerung offiziell auslief. Die UNO hatte kurz zuvor eine Reihe von Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt, doch die iranische Führung betont, dass sie keine Auflagen mehr akzeptieren will. Zuletzt kündigte der Iran eine Vereinbarung mit der Internationalen Atomenergiebehörde über Inspektionen seiner Atomanlagen auf.
In Wirklichkeit ist die iranische Haltung kompromissbereiter, als Teheran es darstellt. Vom häufig angedrohten Austritt des Landes aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) ist keine Rede mehr, so dass zumindest einige internationale Kontrollen in Kraft bleiben. Außenminister Abbas Araghchi bekräftigte, der Iran halte sich an den NPT und bleibe „offen für respektvolle und für alle Seiten vorteilhafte diplomatische Kontakte“.
Adressat dieser Angebote ist Donald Trump. Er hatte im Juni israelische Luftangriffe auf iranische Atomanlagen und Regierungseinrichtungen unterstützt, betont aber sein Interesse an einer Verhandlungslösung. Trumps Stellvertreter JD Vance bekräftigte jetzt, die USA würden es nicht zulassen, dass der Iran eine Atombombe erhalte. Washington werde „alle zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel“ nutzen, um eine nukleare Aufrüstung des Iran zu verhindern.
Der kurze Krieg im Juni hatte die Schwäche der iranischen Luftabwehr offengelegt. Khamenei blieb damals wochenlang in einem Bunker, weil er offenbar befürchtete, Israel wolle ihn töten.
Heute sei es die oberste Priorität des Regimes, einen neuen Krieg zu verhindern, dabei aber den Eindruck von Schwäche zu vermeiden, sagte der Iran-Experte Arman Mahmoudian von der Universität Süd-Florida unserer Zeitung. Ideal wäre für Khamenei eine Vereinbarung, bei der Teheran begrenzte Zugeständnisse macht, etwa in Form von Auskunft über den Verbleib von 400 Kilogramm hoch angereichertem Uran, die seit dem Juni-Krieg verschwunden sind. Im Gegenzug will der Iran die Abschaffung einiger Sanktionen und Zusagen der USA, dass es keine neuen Angriffe geben wird.
Trump entscheide indirekt auch darüber, auf wieviel Unterstützung seiner Partner China und Russland der Iran hoffen dürfe, meint Mahmoudian. Beijing und Moskau haben ihre eigenen Probleme mit den USA und dürften mögliche Vereinbarungen nicht aufs Spiel setzen, indem sie Teheran helfen. Regionale Partner der Iraner wie die Hisbollah im Libanon oder die Hamas in Gaza sind militärisch so geschwächt, dass sie nicht mehr als Verteidigungsbastionen der Islamischen Republik taugen.
Auch die innenpolitische Lage veranlasst das Regime, auf eine vorsichtige Wiederannäherung an die USA zu setzen. Die Zahl der Hinrichtungen seit Jahresbeginn ist auf über tausend gestiegen und liegt damit schon jetzt höher als im gesamten Vorjahr. Dieser Trend und eine neue Kampagne zur Durchsetzung islamischer Regeln sind Zeichen dafür, dass sich die Führung bedroht fühlt. In Teheran wollen die Behörden die Kopftuchpflicht mit 80.000 zusätzlichen Helfern kontrollieren.
Am Kopftuchzwang hatten sich 2022 die schwersten Proteste gegen das Regime seit Gründung der Islamischen Republik 1979 entzündet. Die Demonstrationen wurden niedergeschlagen, aber die Gründe für die Unzufriedenheit von Millionen Iranern sind geblieben. Die Inflation ist mit 45 Prozent so hoch wie seit Jahren nicht mehr, immer wieder fallen Strom- und Trinkwasserversorgung aus.
Auch die Heuchelei angeblich frommer Funktionäre verärgert die Bürger. Jüngstes Beispiel ist ein Video von der Hochzeitsfeier einer Tochter von Khameinis Berater Ali Schamkhani. Es zeigt die Braut in einem tief ausgeschnittenen und schulterfreien Kleid mit einem Schleier im offenen Haar, wie sie von Schamkhani in einen prächtigen Ballsaal geführt wird. Auch viele weibliche Gäste der Feier tragen kein Kopftuch. Vor drei Jahren leitete Shamkhani den iranischen Sicherheitsrat, der die landesweiten Proteste der Kopftuchgegner niederknüppeln ließ.
Regimekritiker werfen Shamkhani vor, er glaube selbst nicht an die Werte, deren Befolgung er von den Iranern verlange. Manche fordern seinen Rücktritt von allen Ämtern und eine Entschuldigung. Schamkhani denkt nicht daran, wie seine Antwort auf die Kritiker zeigt: „Ich bin immer noch hier, ihr Bastarde.“
Mehr von RP ONLINE
Zukunftsplanung rund um den Tagebau – Austausch über das Blau-Grüne Band
