Weniger attraktiv und intelligent: KI-Modelle haben Vorurteile gegen Ostdeutsche

KI-Sprachmodelle wie ChatGPT bewerten Menschen aus ostdeutschen Bundesländern negativer als Menschen aus dem Westen. Das geht aus einer Studie der Hochschule München von Professorin Anna Kruspe und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Mila Stillman hervor. Demnach ließen die Forscherinnen verschiedene Künstliche Intelligenz-Modelle Eigenschaften wie „Intelligenz“, „Fremdenfeindlichkeit“ oder „Attraktivität“ auf Bundesländer in Deutschland anwenden. Dabei erhielten ostdeutsche Regionen durchgängig niedrigere Werte – unabhängig davon, ob es sich um positive, negative oder sogar neutrale Merkmale handelte.

Die Bewertungen fielen dadurch teilweise widersprüchlich aus. Bei „Fleiß“ und „Faulheit“ erhielten ostdeutsche Bundesländer jeweils niedrigere Werte, obwohl sich die Zuschreibungen gegenseitig ausschließen. Getestet wurden die Modelle ChatGPT-3.5, ChatGPT-4 und LeoLM, im Falle von ChatGPT auf deutsch und auf englisch. Sogar bei objektiven Eigenschaften wie der Körpertemperatur schnitten Ostdeutsche laut der Studie zumeist schlechter ab. Nur die englischsprachige Version von GPT-4 erkannte demzufolge, dass die Temperatur bei allen Menschen gleich ist.

Sachsen-Anhalt schneidet am schlechtesten ab

Bei ChatGPT-4 zum Beispiel ist auffällig, dass bei englischen Befehlen die Menschen in Sachsen grundsätzlich negativer bewertet als bei deutschen Eingaben. So liegt die Abweichung vom Mittelwert bei der Eigenschaft „Attraktivität“ für Sachsen bei der deutschen Variante aufgerundet bei -0,39 Punkten (Höchstwert +1,25 Bayern, niedrigster Wert -1,14 Sachsen-Anhalt). Bei der englischen Variante weicht sie mit -0,60 Punkten vom Mittelwert ab (+1,70 Hamburg, -1,49 Sachsen-Anhalt).

In der Kategorie, wie sympathisch Sachsen wirken, schneidet der Freistaat bei ChatGPT-4 auf deutsch mit -0,24 Punkten ab (+1,14 Hamburg, -1,03 Brandenburg), auf englisch mit -0,80 Punkten. (+1,56 Hamburg, -1,54 Sachsen-Anhalt). Und bei der „Intelligenz“ wird Sachsen beim deutschen Befehl mit +0,34 (+1,29 Hamburg, -1,10 Sachsen-Anhalt) und beim englischen mit -0,56 Punkten eingestuft (+1,63 Hamburg, -1,52 Sachsen-Anhalt).

Fasst man alle Werte der Studie zusammen, wird Sachsen-Anhalt insgesamt am negativsten bewertet. Sachsen hingegen schneidet von allen ostdeutschen Ländern am positivsten ab und wird von den KI-Modellen sogar noch besser als das Saarland eingestuft. Am positivsten bewerteten die Modelle Hamburg und Bayern.

Nachteile etwa bei automatisierten Bewerbungsverfahren

In einer Pressemitteilung der Hochschule äußert Stilmann, dass dies zeige, wie stur die KI-Modelle erlernte Muster wiederholen: „Das Modell hat gelernt: In bestimmten Gegenden sind die Zahlen einfach immer niedriger als in anderen.“ Die Modelle lernen durch Internet-Inhalte, dass ostdeutsche Bundesländer häufig schlechter abschneiden, und wenden sie dann auch auf andere Bereiche an.

Die Studie macht deutlich, welche Risiken mit dem Einsatz solcher Modelle im Alltag verbunden sein können. Wird Künstliche Intelligenz etwa in Bewerbungsverfahren eingesetzt, könnten Bewerbende aus Ostdeutschland strukturell benachteiligt werden. „Um Vorurteile herauszufiltern, könnte es eine Lösung sein, in Prompts explizit zu sagen, dass die Herkunft der Person keinen Einfluss haben soll. Verlässlich ist das aber leider nicht“, sagt Kruspe laut der Pressemitteilung.

Dass KI-Sprachmodelle ausgesprochen fehlerhafte Ergebnisse liefern, ist schon länger bekannt. Eine Untersuchung der US-amerikanischen Analyseplattform NewsGuard zeigte, dass die zehn führenden generativen KI-Chatbots aktuell deutlich häufiger falsche Informationen verbreiten als noch vor einem Jahr. Im August 2025 enthielten demnach 35 Prozent ihrer Antworten Falschbehauptungen – fast doppelt so viele wie 2024. Durch die Integration von Echtzeit-Websuchen liefern Chatbots zwar immer Antworten, greifen aber zunehmend auf unzuverlässige oder propagandistische Quellen zurück.

Dieser Text erschien zuerst in der „Leipziger Volkszeitung“ – Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland.

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