Wenn das Leben scheinbar keinen Sinn mehr hat – Wie ein 57-Jähriger aus der Region unter seiner Depression leidet

Vor 14 Jahren fing es an. Damals habe er zu seiner Frau gesagt, er könne sie nicht mehr um sich herum haben. Sie müsse das gemeinsame Haus verlassen. „Da habe ich gemerkt, dass etwas nicht mit mir stimmt“, erinnert sich der 57-Jährige. Der Mann, der in einem Dorf im Kreis Trier-Saarburg lebt, dessen wirklicher Name zu seinem eigenen Schutz nicht genannt wird, leidet unter einer Depression. Die Krankheit raubt ihm den Lebenswillen.

Er sei immer ein sehr lebensfroher Mensch gewesen, erzählt der Mann. Nennen wir ihn Mike. Früher sei er immer gut gelaunt gewesen, sei gerne unter Menschen gewesen. Früher, das war vor 2011. Bevor er gemerkt hat, dass etwas nicht stimmt mit ihm. Bis dahin hat er eine glückliche Ehe geführt. Zusammen mit seiner Frau hat er sich ein schmuckes Haus am Ortsrand des kleinen Dorfes gebaut. Dort lebt er noch heute – alleine. In der oberen Etage wohnt seine hochbetagte Mutter. Nachdem er sich von seiner Frau getrennt habe, sei es schlimmer geworden. Die Depression gehört seitdem zu seinem Alltag. „Die Krankheit hört nie auf.“

Seit Kurzem ist Mike, der lange in Luxemburg gearbeitet hat, in Rente. Das habe seine Situation noch weiter verschärft. Die Tage seien damit noch länger als sonst. Auch wenn das Arbeiten ihm in den vergangenen Jahren immer schwerer gefallen sei (in der Mittagspause habe er sich auf den Boden legen müssen, um sich auszuruhen), habe es ihm eine Struktur in seinem Tagesablauf gegeben. Jetzt habe er oft gar keinen Grund mehr aufzustehen. Zumeist sitze er nur im Wohnzimmer, wisse nicht, wie er den Tag verbringen soll. Ab und zu sitze er auch auf der Terrasse, schaue einfach nur in den Garten. Er sei antriebslos, gehe kaum noch aus dem Haus.

So leidet ein Mann aus der Region Trier an seiner Depression

Mittlerweile hat er eine neue Partnerin. Die wisse über seine Krankheit Bescheid, sagt er. Sie akzeptiere ihn, so wie er ist, versuche ihn zu unterstützen. Eine gemeinsame Wohnung hätten sie nicht. Sie lebe in einem anderen Dorf, gut 30 Kilometer entfernt. Die Wochenenden würden sie zumeist gemeinsam verbringen, entweder bei ihm oder bei ihr. Dann würde es ihm wieder zu viel – die Nähe, die Enge. Dann müsste er wieder allein sein. Seine Freundin respektiere das.

Mike leidet unter einer mittelschweren bis schweren Depression. Tiefe Traurigkeit, Verlust von Freude, deutliche Antriebslosigkeit, Müdigkeit, negative und pessimistische Gedanken, Schlafstörungen, Appetitverlust, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit und häufige und starke Suizidgedanken sind Symptome der Krankheit. Er habe einen Suizid-Versuch hinter sich, sagt Mike. „Ich habe keine Angst vor dem Tod.“ Er befinde sich zwar weiter in medizinischer Betreuung. Aber helfen könne ihm kein Arzt oder Therapeut. Er sei austherapiert. Mehrere stationäre Aufenthalte liegen hinter ihm. Er sei mit starken Antidepressiva behandelt worden. Kurzzeitig sei es ihm danach immer wieder besser gegangen. Dann hat die Krankheit wieder gesiegt.

Dubiose Therapien sollten Depression lindern

Auch neue Behandlungsmethoden seien an ihm ausprobiert worden. Wie etwa die Transkranielle Magnetstimulation. Dabei wird mit Magnetimpulsen die Hirnrinde schonend beeinflusst. Die Idee dahinter ist laut Stiftung Deutsche Depressionshilfe: „Bei der Depression sind die Aktivitäten in Hirnbereichen, die für die Lenkung von Gefühlen und Gedanken verantwortlich sind, verändert. Dadurch kommt es zu einer verstärkten Wahrnehmung und Verarbeitung negativer Informationen. Dies führt zu der für die Depression typischen negativen Verzerrung von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis. Hier setzt die Transkranielle Magnetstimulation an.“ Die Impulse würden von einer Spule, die an den Kopf gelegt werde durch den Schädel abgegeben. Ziel sei es, die Balance der Hirnaktivität wiederherzustellen und dadurch die Erholung von der Depression zu fördern.

Der langfristige Effekt dieser Behandlung sei bei ihm ausgeblieben. Daher sei bei ihm im Rahmen einer Studie die psychedelische Substanz Psilocybin angewandt worden. Sie kommt in der Partydroge Magic Mushrooms (Zauberpilze) vor. Die Therapie sei hart gewesen. Durch die Einnahme der Substanz sei sein Bewusstsein erweitert worden, er habe sich wie auf einem Drogen-Trip gefühlt, sagt Mike. Doch auch selbst das befreit ihn nicht dauerhaft von seiner Krankheit. Immer wieder liegt er wach im Bett. Oft habe er nicht die Kraft aufzustehen. Oder duschen zu gehen. Selbst Zähneputzen sei an manchen Tagen zu anstrengend. Das Leben sei sinnlos, sagt er. Er habe keine Ziele mehr. Traurigkeit bestimme seine Gefühle.

Um halbwegs klar zu kommen, nimmt Mike medizinisches Cannabis. Fast täglich nimmt er die Tropfen. Dann gehe es ihm gut. Die Angst, die Traurigkeit, die Sinnlosigkeit seien weg – zumindest eine Zeit lang. Obwohl sein Arzt ihm das Mittel verschreibe, weigere sich die Krankenkasse, die Kosten dafür zu übernehmen. Doch ohne das Mittel, davon ist Mike überzeugt, würde die Depression komplett über ihn siegen.

Mittlerweile glaubt er zu wissen, warum er krank geworden ist. Die Depression sei Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung in seiner Kindheit. Er habe unter seinem Vater gelitten, der Alkoholiker gewesen sei und die Familie tyrannisiert habe. Er gebe ihm die Schuld für seine Krankheit, sagt Mike, während ihm Tränen durchs Gesicht fließen.

Wer das Gefühl hat, an einer Depression zu leiden oder sich in einer scheinbar ausweglosen Lebenssituation zu befinden, sollte nicht zögern, Hilfe anzunehmen. In Notfällen wenden Sie sich bitte an die nächste psychiatrische Klinik oder einen Notarzt unter der Telefonnummer 112.

Hilfe bieten auch die Telefonseelsorge in Deutschland unter 0800/111 0 111, das Info-Telefon Depression unter 0800/3344533, die Psychotherapieambulanz der Universität Trier (Montag bis Freitag, 9 bis 12 Uhr, mittwochs 13 bis 15 Uhr, 0651/201-2019) oder die Stiftung Deutsche Depressionshilfe auf ihrer Webseite.

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