Berlin. Nicht nur mit dem charismatischen Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt liegt die AfD in Umfragen vorne. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo noch nicht einmal ganz klar ist, wer das Zugpferd sein wird. Was planen Union und SPD?
Früher sagte man, die Volksparteien könnten in bestimmten Gegenden einen Besenstiel aufstellen – die Menschen würden ihn trotzdem wählen. In Mecklenburg-Vorpommern könnte das nun auf die AfD zutreffen: Die Rechtspopulisten sind laut Umfragen mit fast 40 Prozent stärkste Kraft im Land. Und zwar ohne dass bisher der Spitzenkandidat offiziell gekürt wurde. Die SPD mit der durchaus beliebten Regierungschefin Manuela Schwesig liegt mit unter 20 Prozent deutlich abgeschlagen auf Platz zwei. Wie konnte das passieren?
Viele in der Berliner Politik schauen mit Sorge auf das kommende Jahr, in dem in gleich fünf Bundesländern Wahlen anstehen. Im Frühjahr wird zunächst in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abgestimmt, im Herbst dann in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Spannend werden alle Wahlen: Während die Grünen in Baden-Württemberg abgewählt werden könnten, spricht in Rheinland-Pfalz vieles dafür, dass die CDU die derzeit regierende SPD überholt. In Berlin könnte es auf ein Duell zwischen CDU und Linken hinauslaufen. Und in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern richten sich die Augen vor allem auf eine Partei: die AfD.
In beiden Bundesländern liegt die Partei in Umfragen bei Werten um die 40 Prozent. Während die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in der CDU als wichtigste Wahl des Jahres gilt, dürfte der Nordosten für die Sozialdemokraten zur Bewährungsprobe werden. Von Beobachtern in Berlin ist zu hören, die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern werde „sehr prägend“ sein. Einiges spricht dafür, dass die SPD den weiten Abstand in den Umfragen noch verkürzen kann. Zum einen, weil Schwesig als Person in Umfragen gut abschneidet. Sollte es der Sozialdemokratin – ähnlich wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei der Landtagswahl 2024 – gelingen, sich glaubhaft von der SPD im Bund abzukoppeln, dürfte sich das Ergebnis ihrer Partei in Mecklenburg-Vorpommern verbessern.
Allerdings müssten die Sozialdemokraten in dem Küstenland neben der Migration auch zum Thema Friedenspolitik Antworten finden, die die Menschen überzeugen. Denn gerade in Ostdeutschland bekommt die AfD mit Russlandfreundlichkeit und dem Label Friedenspartei Zuspruch. Union und SPD heben derweil sicherheitspolitische Belange hervor: So werfen Innenexperten aus Bund und Ländern, darunter Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), der AfD vor, parlamentarische Anfragen gezielt zu missbrauchen. Sie warnen, dass die AfD die kritische Infrastruktur in Deutschland ausspähe – möglicherweise im Auftrag Russlands.
Der Unionsfraktionschef im Bundestag, Jens Spahn (CDU), sagte unserer Redaktion dazu, wenn parlamentarische Rechte missbraucht würden, „um ausländischen Diktatoren sicherheitsrelevante Informationen zu besorgen, ist das Verrat an unserem Vaterland“. Die CDU dürfte im Nordosten aber ohnehin eher eine untergeordnete Rolle spielen: In der letzten Umfrage lag die Partei abgeschlagen bei 13 Prozent und damit nur einen Prozentpunkt vor der Linken. Von Werten um die 20 Prozent, die Meinungsforscher noch im vergangenen Jahr auswiesen, ist die CDU weit entfernt.
Doch wie ist die AfD in dem 1,5-Millionen-Einwohner-Land überhaupt aufgestellt? Der Landesvorsitzende und eher unauffällige Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm will sich bei einem Parteitag im November als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten aufstellen lassen. Gleichzeitig tritt er in Schwesigs Wahlkreis in Schwerin gegen die Ministerpräsidentin an. Ursprünglich favorisierte der AfD-Landesvorstand die Kandidatur von Enrico Schult für das Ministerpräsidentenamt, doch gab es darüber offenbar Zwist. Co-Parteichef Schult soll nun auf Platz 1 der Landesliste antreten. Holm hatte sein Direktmandat für den Bundestag im Februar ebenfalls in Schwerin errungen – deutlich hinter ihm lagen ein CDU-Kandidat und die heutige Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD).
Ändert sich im kommenden Jahr am Wählerzuspruch nichts, dürfte die Bildung einer Koalition ohne AfD in Mecklenburg-Vorpommern deutlich schwieriger werden. Der aktuelle Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die Linke, liegt in Umfragen bei zwölf Prozent. Das ist zwar ein vergleichsweise gutes Ergebnis. Es reicht aber nicht aus, um die Verluste der SPD wettzumachen. Die Grünen, aktuell bei fünf Prozent, und das BSW, das auf sieben Prozent kommt, spielen vermutlich eine untergeordnete Rolle. Die FDP würde nach aktuellem Stand aus dem Landtag fliegen.
Die Situation im Nordosten erinnert ein wenig an die Landtagswahlen 2024. In Thüringen trat damals zwar der bekannte AfD-Scharfmacher Björn Höcke an. Aber in Sachsen und Brandenburg gingen als Spitzenkandidaten der AfD zwei weitgehend Unbekannte ins Rennen. Beiden gelang ein sehr starkes Ergebnis. Trotzdem: Am Ende landete sie doch knapp hinter den Amtsinhabern Dietmar Woidke und Michael Kretschmer (CDU).
(mdu/grz grz)
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