Beamte haben eine besondere Pflicht zur Verfassungstreue. Wer sie verletzt, muss mit Konsequenzen rechnen. Wenn etwa Polizisten sich rassistisch äußern, verbotene NS-Symbole in Chatgruppen versenden oder den Hitlergruß zeigen, dann kann das Folgen für sie haben – bis zur Entlassung.
In Sachsen wurden im ersten Halbjahr 2025 neun solcher Verdachtsfälle in der Polizei registriert. Im Jahr davor waren es 29. Von Anfang 2020 bis Ende Juni 2025 gab es insgesamt 90 Verdachtsfälle mit Bezug zu Rechtsextremismus unter Polizeibediensteten, wie das Innenministerium in Dresden der F.A.Z. mitteilt. In rund der Hälfte der Fälle bestätigte sich der Verdacht, 14 Beamte wurden entlassen. In den anderen Fällen wurden mildere Strafen wie Geldbußen verhängt oder nur Ermahnungen und Missbilligungen ausgesprochen. In 42 Verfahren wird noch geprüft.
Angesichts von rund 14.500 Polizeibediensteten in Sachsen ist die Zahl der Fälle gering. Doch Bund und Länder wollen vermeiden, dass Extremisten überhaupt erst in den Staatsdienst gelangen. Denn wenn sie erst einmal Beamte sind, ist es schwer, sie zu entlassen oder ihre Ernennung zurückzunehmen.
Doch wie wird die Verfassungstreue von künftigen Beamten geprüft? Und wie soll es in Zukunft geschehen? Die Antwort auf diese Fragen ist besonders dringend, seit das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD Anfang Mai als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Die Partei ist stolz darauf, besonders viele Polizisten, Richter und Soldaten in ihren Reihen zu haben. Wenn die Einstufung, gegen die sich die AfD mit juristischen Mitteln wehrt, gerichtlich bestätigt wird, müssen Bund und Länder prüfen, welche Konsequenzen das für den öffentlichen Dienst hat. Sie bereiten sich derzeit in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe darauf vor.
Wie wird der Einzelfall bewertet?
Bisher gehen die Bundesländer höchst unterschiedlich vor, wenn es darum geht, die Verfassungstreue künftiger Staatsdiener zu prüfen. Das zeigt das Beispiel von Sachsen und Thüringen, also zwei ostdeutschen Ländern, in denen die AfD besonders stark und radikal ist. In Sachsen ist der Landesverband der AfD seit Dezember 2023 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Die damalige Landesregierung aus CDU, SPD und Grünen reagierte unmittelbar darauf. Anwärter auf eine Beamtenstelle müssen im Zuge des Auswahlverfahrens einen Fragebogen zu ihrer Verfassungstreue ausfüllen.
„In der Selbstauskunft muss jeder Bewerber entsprechende Angaben machen, ob er Mitglied einer als rechtsextremistisch eingestuften Vereinigung oder Partei ist, wie in Sachsen beispielsweise der AfD“, sagt Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) der F.A.Z. Er weist jedoch darauf hin, dass eine Mitgliedschaft in der AfD nicht bedeutet, dass der Weg in ein Beamtenverhältnis gleich versperrt ist. „Es bleibt immer eine Frage des Einzelfalls, ob weitere Aspekte auch über die Mitgliedschaft hinaus insgesamt Zweifel an der persönlichen Verfassungstreue begründen.“
Wie aber wird der Einzelfall bewertet? Für Anwärter, die in Sachsen als Polizisten oder im Justizvollzug tätig werden wollen, gelten strengere Regeln als für andere Bewerber auf Beamtenstellen. In ihrem Fall wird seit April 2024 eine Regelanfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz gestellt, also eine anlasslose Überprüfung. Dabei werden Name, Geburtsdatum und Geburtsort in das Nachrichtendienstliche Informationssystem „Nadis“ eingegeben, wie die bundesweite Datenbank des Verfassungsschutzes heißt. Es zeigt an, ob die Person Funktionen in extremistischen Parteien oder Organisationen ausübt oder ausgeübt hat oder bei entsprechenden Veranstaltungen aufgetreten ist. Die einfachen AfD-Mitglieder sind dort nicht gespeichert.
Wenn ein Anwärter ein einziges Mal an einer Demonstration einer extremistischen Organisation teilgenommen hat und das womöglich Jahre zurückliegt, gewichtet der Verfassungsschutz diesen Umstand als weniger schwer als beispielsweise die Tätigkeit als Funktionär im Landesverband der neonazistischen Partei „Die Heimat“, der früheren NPD.
Auch erläutert der Inlandsgeheimdienst in seiner Stellungnahme gegebenenfalls, um was für eine extremistische Organisation es sich handelt. Denn nicht jede anfragende Behörde weiß, was eine extremistische Kleingruppe genau vertritt, beispielsweise die rechtsextremistische „Elblandrevolte“ in Sachsen. Der sächsische Verfassungsschutz teilt dann der Ernennungsbehörde mit, ob das politische Engagement der überprüften Person geeignet ist, Zweifel an ihrer Verfassungstreue zu haben. Gibt es dafür ausreichend Anhaltspunkte, dann lädt die Ernennungsbehörde in der Regel die betreffende Person zu einem Gespräch ein, um die Sache weiter zu prüfen. Am Ende entscheidet sie, ob ein Bewerber abgelehnt wird. In Sachsen wurden nach Angaben des Innenministeriums von Anfang Mai 2024 bis Ende Juni 2025 drei Personen aufgrund entsprechender Informationen nicht eingestellt oder ernannt.
Für Beamte, die schon ihren Dienst tun, ist der erwähnte Fragebogen dienstrechtlich nicht zulässig. In ihrem Fall kann bei Verstößen gegen die Treuepflicht nur disziplinarrechtlich vorgegangen werden. Die Mitgliedschaft in der AfD ist aber für ein Disziplinarverfahren nicht ausreichend. Wenn ein Beamter allerdings durch Hetze auffällt oder herausgehobene Funktionen in einer rechtsextremistischen Organisation oder Partei bekleidet, kann der Dienstherr die Verfassungstreue überprüfen lassen. In manchen Fällen wird der Landesverfassungsschutz aber durch eine Regelanfrage beteiligt. Das gilt für Personen, die zu Leitern von Behörden ernannt werden sollen. Dazu gehört die Landesdirektion Sachsen, Justizvollzugsanstalten oder das Amt einer kreisfreien Stadt oder eines Landkreises, das mit dem Vollzug des Waffenrechts befasst ist.
Auch wenn eine Person im Polizeibereich ernannt oder befördert wird, wird sie ab der Besoldungsgruppe A 13 vom Verfassungsschutz überprüft, wenn mit der Stelle Aufgaben mit erheblicher Führungs- und Personalverantwortung verbunden sind. Die Beamten werden vorab über die Abfrage informiert und um Zustimmung gebeten. Wer nicht zustimmt, muss damit rechnen, nicht befördert zu werden.
Im benachbarten Thüringen gelten indes vollkommen andere Regeln, wenn es um die Verfassungstreue von Beamten geht. Hier gibt es keine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, auch nicht für Bewerber bei der Polizei. Auch die Zugehörigkeit zu extremistischen Parteien wird nicht abgefragt.
Das ist bemerkenswert, da die Thüringer AfD unter ihrem Vorsitzenden Björn Höcke als erster Landesverband im März 2021 als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft wurde. Die Polizeispitze wurde allerdings nach der Einstufung im Frühjahr 2021 angewiesen, alle Polizeibeamten über die besondere Pflicht zur Verfassungstreue zu belehren. Dafür mussten die Beamten eine Unterschrift unter der Belehrung leisten. Das sei kein „Gesinnungstest“, sondern eine Maßnahme im Rahmen des bestehenden Diensteids, teilte damals das Erfurter Innenministerium mit. Besonders geprüft wurde der Fall des Sonneberger Landrats Robert Sesselmann, der Mitglied der AfD ist. Hier bewertete das Thüringer Landesverwaltungsamt Sesselmanns Verfassungstreue. Es sah keine konkreten Umstände, die geeignet seien, „eine ernsthafte Besorgnis an dessen künftiger Erfüllung der Verfassungstreuepflicht auszulösen“.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hält die derzeitige Regelung in seinem Bundesland allerdings für unzureichend und würde gern zumindest dem sächsischen Beispiel folgen. „Wir sollten die Verfassungstreue von Beamten überprüfen, besonders wenn es um Polizisten geht“, sagt Maier der F.A.Z. Doch dafür habe Thüringen bisher keine Rechtsgrundlage im Polizeiaufgabengesetz, das aus Maiers Sicht schon lange hätte geändert werden müssen. „Die überfällige Reform des Gesetzes ist leider während Rot-Rot-Grün am Widerstand der Linken gescheitert. Derzeit versuchen AfD und Linke gemeinsam, die von mir initiierte Reform zu verhindern.“
Wenn die Einstufung der gesamten AfD als erwiesen rechtsextremistisch gerichtlich bestätigt wird, soll die Überprüfung der Verfassungstreue von Beamten neu geregelt werden. Im Juni haben sich Bund und Länder auf eine Arbeitsgruppe geeinigt, die sich bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Dezember auf eine gemeinsame Haltung zum Dienstrecht, zu Sicherheitsüberprüfungen und auch zum Waffenbesitz von AfD-Mitgliedern einigen soll. Doch bisher geht die Sache nur langsam voran.
Innenminister Maier mahnt deshalb Bund und Länder zur Eile, sich auf eine Linie zu einigen. Er fordert: „Wir sollten die Verfassungstreue von Beamten für ganz Deutschland einheitlich regeln, nicht zuletzt wegen der Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Bestrebung. Da muss die von Bund und Ländern eingerichtete Arbeitsgruppe zu AfD-Mitgliedern im Staatsdienst jetzt zügig vorankommen.“
