Zahnarzt nennt sieben Warnsignale, bei denen Patienten die Praxis verlassen sollten

„Reine Geldmacherei“

Zahnarzt nennt sieben Warnsignale, bei denen Patienten die Praxis verlassen sollten

Von der professionellen Zahnreinigung bis hin zu Kindern im Wartezimmer: Wann Sie beim Zahnarzt misstrauisch werden sollten.

Frankfurt – In Deutschland steigen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Zahnarzt-Besuche kontinuierlich, wie Daten des GKV-Spitzenverbands zeigen. Deutschland steht bei den jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Zahnarztleistungen mit 341 Euro im europäischen Vergleich an zweiter Stelle. 40 Prozent davon sind Selbstzahlerleistungen, die sich über ein ganzes Leben auf mindestens 10.000 Euro summieren. Nicht alle davon sind unbedingt notwendig, sagt Heinz Wertmann*, der 25 Jahre lang als Zahnarzt tätig war, bevor er in die Beratung wechselte.

„Ich hatte eine Abrechnungshelferin und diese bewusst gebeten, mir nicht die einzelnen Preise für verschiedene Behandlungen zu nennen – damit ich nicht beeinflusst werde“, erklärt er BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. Ein erstes Warnsignal für Abzocke sei, wenn Zahnärzte professionelle Zahnreinigungen (PZR) „regelrecht erzwingen wollen“, sagt er und verweist auf eine Studie, die über einen dreijährigen Zeitraum keinen Unterschied zwischen Patienten mit und ohne jährlicher Zahnreinigung feststellte. „Für jemanden mit gesunden, weißen Zähnen ist eine PZR reine Geldmacherei ohne jeglichen medizinischen Nutzen“, sagt Wertmann.

Der Zahnarzt warnt vor der Gefahr, dass bei einer Zahnreinigung Bakterien tiefer in den Mundraum gelangen könnten. Besonders eine Pulverstrahlreinigung könne problematisch sein. „Vergleichbar mit Schmirgelpapier. Für empfindliche Zähne ist das eine Katastrophe“, sagt er. „Aber klar: So ein Gerät kostet 4000 Euro, das muss natürlich monetarisiert werden.“ Wer Fragen zu Behandlungsmethoden oder Arztkosten hat, kann sich bei Bedarf an die Unabhängige Patientenberatung (UPD) wenden.

Jeannine Bonaventura, Zahnärztin und stellvertretende Bundesvorsitzende vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) sieht das anders: „Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland arbeiten auf Grundlage klarer gesetzlicher, wissenschaftlicher und ethischer Standards. Wer regelmäßig Prophylaxe empfiehlt, handelt nicht ‚verkaufsorientiert‘, sondern verantwortungsvoll im Sinne langfristiger Zahngesundheit“, schreibt sie unserer Redaktion. Sie sieht es daher nicht als ein Warnsignal.

Zahnarzt kritisiert Kollegen: „Verstößt gegen unsere Berufsordnung“

Das zweite Warnsignal seien Standardlösungen: „Jeder Zahn ist anders. Die Schichtstärke des Zahnschmelzes, die Anatomie – all das muss berücksichtigt werden“, betont Wertmann bei BuzzFeed News Deutschland. Wenn Zahnärzte alle Patienten gleich behandeln, hinterlässt das „gar keinen guten Eindruck“. Fehlende Aufklärung sei ebenfalls problematisch. Er kritisiert, dass „viele Zahnärzte den Patienten Behandlungen aufdrängen, die sie nicht brauchen. Das ist nicht nur unseriös, sondern verstößt auch gegen Paragraf sieben unserer Berufsordnung“. Oft würden „erhaltungswürdige Zähne gezogen und durch Implantate ersetzt, weil das mehr Geld bringt als eine Füllung für nur 100 Euro“.

Bei Zahnärzten, die sich „Implantologe“ nennen, sei „Vorsicht geboten“, warnt der Experte. Denn: „Implantologe“ sei „kein geschützter Begriff“. Implantate gehörten in die Hände eines Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, der eine fundierte Ausbildung habe. Auch hier widerspricht Bonaventura: „Wer Implantate anbietet, tut dies nach sorgfältiger Diagnostik und Aufklärung – nicht aus Profitgier, sondern weil es oft die medizinisch sinnvollste Lösung ist.“

Beim Zahnarzt: Worauf fehlende Kinder im Wartezimmer hindeuten können

Das Verhalten des Praxis-Personals sei das fünfte Warnzeichen, denn es sei ein Indikator für die Qualität der Praxis. Wenn die Helfer und Helferinnen „unsicher sind, leise sprechen oder geduckt wirken, dann läuft etwas schief – meist liegt das am Chef oder an der Chefin.“

Ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin, die nur visuell untersuchten, machen auf Wertmann „keinen seriösen Eindruck“. Eine gründliche Vorsorge erfordere mehr als nur einen Blick in den Mund. Es gebe weißen Karies, der nicht sichtbar sei, sondern nur mit einer Sonde ertastet werden könne. Bei der Vorsorge sollte der Arzt oder die Ärztin auch die Schleimhäute anschauen und unter die Zunge. Kein Zahnarzt könne nur mit einem Blick erkennen, dass es eine Wurzelspitzenbehandlung brauche – vor allem nicht, wenn keine Schmerzen vorliegen würden. Da brauche es eine „Vitalitätsprüfung mit kalten Wattepellets, einen Klopftest und Röntgenbilder.“

Fehlende Spielsachen und Kinder im Wartezimmer könnten laut dem Zahnarzt das siebte Warnzeichen sein. Denn wenn diese nicht da seien, könnten Kinder entweder unerwünscht sein, oder ihre Eltern würden dem Zahnarzt nicht genug vertrauen. Der „Königsschlag“ sei, wenn das Praxis-Personal die eigenen Kinder in die Praxis bringe, sagt er BuzzFeed News Deutschland. (Quellen: GKV-Spitzenverband, Atlas, Dental, Cochrane Studie, eigene Recherche)

*Redaktioneller Hinweis: Um Heinz Wertmann zu schützen, haben wir seinen Namen geändert. Sein echter Name ist der Redaktion bekannt.

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