Zum Filmstart von „All das Ungesagte zwischen uns“: Ist der Kitsch von Bestsellerautorin Colleen Hoover eigentlich noch zeitgemäß?

Keine Frage, Colleen Hoover ist ein Phänomen. Die Romane der 45-jährigen Amerikanerin dominieren Bestsellerlisten, BookTok feiert sie mit über zwei Milliarden Views auf einem einzigen Video und ihre Fangemeinde wächst stetig. Nach „Nur noch ein einziges Mal“ (2024) mit Blake Lively kommt nun die zweite RomCom von ihr ins Kino: „All das Ungesagte zwischen uns“ (ab 23.10.). Doch damit nicht genug! Die Verfilmung von „Variety“ mit Anne Hathaway, Josh Hartnett und Dakota Johnson steht schon für 2026 in den Startlöchern. Das wären drei Filme in drei Jahren nach ihren Vorlagen … Aber was macht die Autorin eigentlich erfolgreich oder besser gefragt: Ist ihr Stil wirklich noch zeitgemäß? Aus aktuellem Anlass nehmen wir das Phänomen Colleen Hoover und ihre New Adult-Bestseller mal genauer unter die Lupe.

New Adult: zwischen Romantik und Realität

Hoovers Bücher bewegen sich im Genre New Adult, das düstere Liebesgeschichten von Menschen zwischen 20 und 30 Jahren erzählt. Ihre Geschichten sind bewusst kitschig, klischeebehaftet und oft „over the top“ – wie eine romantische Komödie, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Doch hinter der scheinbaren Leichtigkeit stecken oft schwere Themen: toxische Beziehungen, Gewalt, Missbrauch oder mentale Gesundheit. Diese Mischung aus Romantik und Tragik trifft einen Nerv, besonders bei jungen Frauen, die sich in den emotionalen Konflikten ihrer Figuren wiederfinden. Denn Hoovers Geschichten bedienen ein Bedürfnis nach intensiven Emotionen und dramatischen Liebesgeschichten – auch wenn diese oft konservativ und vorhersehbar sind. 

Ihre Protagonistinnen geraten fast immer in schwierige Beziehungen, die von Gewalt oder Machtgefällen geprägt sind. Doch genau diese durchschaubaren Muster machen ihre Bücher so zugänglich: Sie bieten eine Art „emotionalen Safe Space“, in dem Leser*innen schwere Themen verarbeiten können, ohne von der Realität überwältigt zu werden. Die Kitschigkeit und Vorhersehbarkeit ihrer Geschichten erleichtern den Umgang mit den ernsten Inhalten – ähnlich, wie es früher die Erbauungsliteratur des 19. Jahrhunderts tat.

Von BookTok zum Kultstatus

Colleen Hoovers Erfolgsgeschichte ist eng mit der Plattform BookTok verknüpft. Junge Frauen teilen dort ihre Begeisterung für ihre Bücher, posten Empfehlungen und schaffen eine Community, die sich gegenseitig vertraut. Dieses Netzwerk hat Hoovers Bücher zu einem Konsumgut gemacht: „Loved it, read it, next“ – man weiß genau, was man bekommt. Ihre Romane sind wie Trash-TV oder eine gute RomCom: unterhaltsam, emotional und perfekt für eine Auszeit vom Alltag. Trotz ihres Erfolgs bleibt die Frage: Sind Colleen Hoovers Geschichten wirklich innovativ? Ihre heterosexuellen Liebesgeschichten sind oft konservativ und bedienen stereotype Geschlechterrollen. Doch sie regen auch zur Selbstkritik an: Warum fühlen wir uns von toxischen Beziehungen angezogen? Warum fallen wir auf solche Typen herein? Diese Reflexion macht ihre Bücher mehrdimensionaler, als sie auf den ersten Blick erscheinen.

Einfach vergnüglich

Hoovers Romane sind keine hohe Literatur – und wollen es auch nicht sein. So sieht es auch Christine Lötscher, Professorin für Populäre Literaturen und Medien an der Universität Zürich, in einem Interview, das sie 2023 dem SWR gab. Dort erklärt sie, dass die Sprache bei Colleen Hoover nicht als Kunstform im Vordergrund steht, sondern einfach dem Zweck dient, berührende Geschichten zu erzählen. Im Grunde keine neue Idee, sondern eine, die auch Jane Austen oder Rosamunde Pilcher schon beherrschten, so die Literaturprofessorin. Hoover erzählt von Liebe, Schmerz und Hoffnung – auf eine Weise, die Millionen Menschen anspricht und was ihre Leserinnen suchen: große Gefühle, dramatische Wendungen und ein bisschen Eskapismus. Ihre Bücher sind zum Vergnügen da. Und das ist völlig in Ordnung. Ob man sie liebt oder kritisch hinterfragt, bleibt jedem selbst überlassen. Eines ist sicher: Colleen Hoover hat einen festen Platz in der Popkultur gefunden – und wird ihn so schnell nicht verlieren.

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